Einer dieser Tage

Donnerstag 4.14 Uhr. Ich werde von dem vertrauten Kratzen meiner Katze an der Kleiderschranktür geweckt. Eine nervige Angewohnheit ihrerseits, um mich darauf hinzuweisen, dass bald Fütterungszeit ist (in genau 1 Stunde…). Das ist definitiv der Rekord für diese Woche und nach nicht einmal 5 Stunden Schlaf bin ich jetzt schon völlig unmotiviert.

5.45 Uhr. Die Katze gefüttert, mein Freund macht das Bad frei und jetzt muss auch ich mal in die Puschen kommen. Der Blick auf die Wetter-App verrät, es gibt Regen. Dementsprechend suche ich mir meine Klamotten raus und versuche mich krampfhaft selbst daran zu erinnern, den Regenschirm noch einzupacken.
6.55 Uhr. Die Haustür schließt sich hinter mir. Ich bin wie immer zu spät dran und muss zur Straßenbahn hetzen. Am Bahnhof dann der erste Lichtblick des Tages. Ich finde ein freies Abteil nur für mich.
7.20 Uhr. Der Zug fährt pünktlich unter Getöse ab. Bis 8.20 kann ich jetzt also Zeit totschlagen. Tatsächlich schlafe ich noch vor der ersten Haltestelle ein (der 2. Glücksmoment heute). Kurz vor der Endhaltestelle, meiner Zielhaltestelle, werde ich wach und sehe einen Blitz zucken. Der Regen, der das Fenster herunterrinnt, gleicht einem reißenden Wasserfall und da fällts mir wieder ein. Der Regenschirm! Er hängt gemütlich baumelnd am Garderobenhaken. Ich könnte mich gerade selbst ohrfeigen.
8.25 Uhr. Der Zug hält quietschend am Bahnsteig. Schnell zu Mäc Geiz rein und für 2,50€ einen neuen Regenschirm gekauft. Immerhin lagen die Haare heute ausnahmsweise mal super. Das sollte nicht für die Katz sein.

8.50 Uhr. Ich komme an der Uni an und suche mir im großen Hörsaal einen guten Sitzplatz für die Vorlesung (Kosten- und Erlösrechnung). Meine Freundinnen tauchen nach und nach auf und setzen sich zu mir. Dann kommt der neue Professor zur Tür rein (die Vorlesung wird von 2 verschiedenen Professoren mit verschiedenen Schwerpunkten geführt). Er hat eine studentische Hilfskraft dabei, um sich die Technik des Saals erklären zu lassen. Ansteckmikrofon, Beamer, das Saaltablet. Es gibt eine ganze Menge, das man hier benutzen könnte. Die SHK geht, das Mikro knackt und von allen technischen Spielerein, die sich der Herr Professor hätte auswählen können, nimmt er den Polylux. Das wohl antiquierteste Gerät im Saal, dabei sieht er selbst gar nicht so verstaubt aus.
9.15 Uhr. Es geht los. Mit monotoner Stimme beginnt er zu sprechen und ich bin innerhalb einer Minute total entnervt. Das Skript habe ich auf meinem Tablet geöffnet, bereit Notizen dazuzuschreiben. Es ist wieder eine Art Lückentext, wie im Teil davor, doch irgendwie erzählt der Professor ganz andere Dinge, als in unserem Skript stehen. Wir finden nichts darin wieder und schauen uns verwirrt um. Er fängt an auf einer leeren Folie zu schreiben, die unscharf vom Polylux an die Leinwand geworfen wird. Ein Seufzen geht durch die müde Menge, als wir quasi zeitgleich unsere Schreibblöcke rausholen und nach Kugelschreibern kramen. Dann eben auf die klassische Art.
9.45 Uhr. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Das monotone Auf und Ab seiner Stimme macht mich mittlerweile aggressiv und ich habe das Gefühl schon seit einer Ewigkeit hier zu sitzen. Der Blick aufs Handy verrät mir allerdings etwas anderes. Immer noch 1 Stunde.  Ich schau zu einer Freundin rüber, die mein Augenrollen schmunzelnd erwidert.
Es ist mir schleierhaft, wie dieser Mann ohne didaktische Fähigkeiten habilitieren konnte und vor allem, warum er an einer Technischen Universität lehrt, bei seiner offensichtlichen Abneigung gegen elektronische Hilfsmittel. Das regt mich in dem Moment so sehr auf, dass ich anfange darüber nachzudenken, weshalb er noch keinen der unzähligen Kurse besucht hat, die heutzutage angeboten werden, um sich auf dem Feld weiterzubilden. Hat er vielleicht schlichtweg keine Lust oder hält es für unnötig? Oder setze ich vom Standpunkt meiner Jugendlichkeit aus zu viel voraus? Müssen alle mit den neuesten Spielerein umgehen können, nur weil ich es kann?

10.45 Uhr. Ohne eine richtige Antwort auf mein Gegrübel geht die Vorlesung zu ende. Ich habe aber das Gefühl, dass zumindest ein gewisses Maß an Interesse an einer Universität vorhanden sein sollte. Wir gehen zusammen zur Mensa.
Der Speiseplan ist sehr dürftig. Suppe, Kartoffelpuffer oder Nudeln mit Fleisch oder vegetarisch. Ich entscheide mich für die vegetarischen Nudeln und bin mal wieder nicht überrascht, als die Soße nach Maggi-Fix schmeckt. Ein Gourmet-Menü kann man für 2,20€ nun mal nicht erwarten. Kurzes Gequatsche, dann müssen die anderen auch schon wieder los. Nur ich bleib zurück und verkrümel mich dank meiner Freistunde in die Cafeteria, wo ich mir einen Tee hole, das Tablet auspacke und anfange, über den miesen Tag nachzudenken.
12.15 Uhr. Die Sonne  zeigt sich und plötzlich sitzen überall Leute auf den Bänken vor der Cafeteria, die Jacken und Schirme beiseite gelegt. Sie wirken entspannt und gut gelaunt, während ich mich total übermüdet in mein Bett sehne.
Aber ich muss noch zur Mathe-Vorlesung. Erst danach und nach einer weiteren Stunde Zugfahren, bin wieder zuhause, wo die Katze auf mich wartet und natürlich der Haushalt. Die Wäsche muss noch abgenommen werden und Essen wollte ich auch noch vorkochen.
Mein Bett rückt in weite Ferne und beim Gedanken daran, wünsche ich mir, ich wäre am Morgen nicht aufgestanden.
Es ist wirklich einer dieser Tage.

Nach der Vorlesung habe ich natürlich noch den Zug verpasst, weil der Bus 2 Minuten zu früh kam und der darauffolgende so voll war, dass niemand mehr einsteigen konnte. Aber Daheim angekommen, wartete mein wunderbarer Freund auf mich, der idealerweise schonmal begonnen hatte, Essen für uns zu kochen.

anne

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